Asra Dar Dilan

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Version vom 29. Mai 2011, 21:42 Uhr von Asra (Diskussion | Beiträge) (Gegenwart - Ein Traum vom Weltenwanderer)

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charentry
Asra Dar Dilan.jpg
Asra Dar Dilan
Geburtsdatum5. Mart 640
Geschlechtweiblich
Größeknapp 1,60 m
Haarfarbesehr dunkel mit rötlichem Schimmer je nach Lichteinfall
Augenfarbedunkelbraun
Staturzierlich und nahezu knabenhaft
RasseMensch
VolkVerborgene
KlasseSuchende
WohnortBlume des Südens
SonstigesHaare zu zahlreichen, schmalen Zöpfen geflochten, verziert mit Bändern und schlichten Holzperlen; am Körper Tätowierungen, die den Wind symbolisieren sollen, tragend; rote Brandnarben auf der linken Handfläche

Statusaktiv

charentry

Passende Musik

Solace - Paradise Lost

Äußerlichkeiten

Das Markanteste an Asra sind, wenn man den Anblick von Verborgenen gewöhnt ist, ihre Haare. Sie wirken sehr dunkel - offenbar ein tiefes Dunkelbraun mit einem Tick ins Schwarze rein, doch sobald Licht auf diese fällt, sieht man in den Haaren einen dunkelroten Glanz. Doch auch ihre Frisur mag für manche ungewöhnlich sein - unzählige, schmale, lange Zöpfe, teils mit Holzperlen und Bändern verziert, fallen über ihre Schultern hinab und ab und an auch ins Gesicht.
Ihr Gesicht selber wird vor allem von ihren sehr dunklen Augen geprägt, die zwar dunkelbraun sind, aber besonders bei diffusen Lichtverhältnissen schon nahezu schwarz wirken. Ihre Lippen wiederum sind voll und weich, denn offenbar scheint sie diese selbst auf Reisen zu pflegen, wie auch den Rest des Körpers, denn ihre Haut fühlt sich ebenso weich an und trägt keine Muttermale oder Narben.
Zierlich und eher klein ist sie wie so viele andere südländische Frauen und auch die dunkle Haut ist recht typisch für ihr Volk. Doch hinzu kommt, dass ihre Statur ein wenig mehr ins Knabenhafte gerät. Hüften und Brust sind nicht allzu stark ausgeprägt und würde sie weite Kleidung tragen und ihr Gesicht stark verhüllen, könnte sie unter Umständen auch als junger Mann durchgehen.
An ihrem Körper trägt sie zudem Tätowierungen, die auf ihre Geburtselement - den Wind - hindeuten.
Ihre Kleidung ist meist eher robust und verhältnismäßig einfach, doch trotz ihrer wenig fraulichen Statur, trägt sie gerne Röcke und knappe, enganliegende Oberteile, die die (kaum vorhandene) Brust betonen.
Seit kurzem fallen rote Brandnarben an ihrer linken Handfläche auf.

Was sie häufig bei sich trägt

Geisterszepter

Stets an ihrem Gürtel steckend, bisweilen auch in ihrer Hand ruhend und außerhalb des Reiches der Verborgenen oftmals vorsorglich mit einem Tuch verhüllt, ist ihr Geisterszepter. Jener eher kurze Stab besteht aus Mangrovenholz, was wiederum spiralförmig gewunden wurde, wobei die Windungen in einem sehr dunklen, metallischen Ton schimmern, als hätte jemand Schattenstein geschmolzen und darauf einer Farbe gleich verteilt. Am Kopfende befindet sich tatsächlich ein Kopf - der Schädel eines Tieres, wobei Tierkundler ihn als Antilopenschädel identifizieren können. Am Szepter befestigt findet man noch weitere Knochen einer Antilopen, wie auch einen seidigen Faden, der einige Falkenfedern hält und die leicht im Wind wehen.
Berühren Fremde den Stab, werden sie ein eher unangenehmes Gefühl verspüren - ein steter Wechsel zwischen Wärme und Kälte samt einem unschönen Kribbeln, wo sie den Stab berühren.

Beutel mit Phiolen und Flaschen

An einem Gürtel trägt sie meist eine kleine, leicht gepolsterte Tasche, die jedoch leicht zu öffnen ist. In dieser findet man etliche Phiolen und Flaschen, die jedoch einen eigentümlichen Inhalt haben - die meisten haben einen sich ständig bewegenden Nebel als Inhalt, ein paar wenige wiederum scheinen innerlich eine Art nebelartigen Sturm zu tragen, welcher sich auf eher chaotische Art und Weise bewegt. Unkundige könnten das Gefühl haben, das Innere der Flaschen und Phiolen lebt förmlich.

Geschichten

Herkunft und Schicksal I

Mein Name ist Asra Dar Dilan. Ich bin ...

Und hier endet es. Aber kann man wirklich von einem Ende sprechen? Ich weiß es selber nicht. Noch nicht, doch ich hoffe, es bald herausfinden zu können.

Herkunft und Schicksal II

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Es gibt Menschen, die Schutz in festen Bauten und hinter hohen Mauern suchen. Ein meist gleichbleibender Ablauf im Alltagsleben, ein festes Dach über dem Kopf, vielleicht sogar, wenn sie am Rande einer Oase leben, etwas Ackerbau.

Aber es gibt auch welche, die das Reisen vorziehen. Nomaden oder eben Kinder des Windes.
Als ein solches wurde ich vor 22 Jahren geboren und passenderweise genau im Zeichen des Windes. Meine Mutter war eine einfache Sammlerin, die sich nach essbaren Wurzeln, Beeren und Früchten umsah, während mein Vater als Jäger für das Fleisch unseres kleinen Stammes sorgte. Mein Onkel führte ihn an, bestimmte, wohin wir reisten und wer welche Aufgabe übernahm. Meine Großmutter wiederum war die Schamanin des Stammes und sorgte mit ihrer Weisheit für Heilung und Ratschlag. Vor allem war sie bewandert im Deuten der Zukunft. Sie las sie in den Sternen, in Tierknochen, in dem Flug der Vögel, in dem Tanz der Flammen und dem Rauch des Feuers oder auch einfach in ihren Träumen. Die Zukunft eines jeden Stammesangehörigen hatte sie mal mehr, mal weniger diffus oder klar erkennen können - nur meine nicht.

Traditionell war sie eine der ersten, die das Kind, welches neu geboren war, sah, für das Wohlwollen der Ahnen zu sorgen und die Geister um und in unserem Stamm milde zu stimmen versuchte, das Kind sogar mit manchen Vorkehrungen vor dem Besuch eines bösartig gestimmten Geistes zu schützen versuchte. In Folge dessen bemühte sie sich die Zukunft eines jeden Neugeborenen zu lesen, was ihr bei mir das erste Mal in ihrem Leben schlichtweg nicht gelang. Nicht ein einziges Bild, nicht mal ein Gefühl oder ein Geräusch, was von meiner Zukunft künden könnte, nahm sie wahr. Damals vermutete sie sogar, dass ich bald schon sterben würde, was im Säuglingsalter keine Seltenheit bei uns Nomaden ist. Doch ich lebte und nichts Schlimmes geschah weiter. Kein böser Geist suchte mich heim, stattdessen wuchs ich vollkommen normal auf. Immer und immer wieder versuchte Großmutter etwas zu erkennen, doch sie sollte auch in Zukunft keinerlei Erfolg bei mir haben, was sie schlichtweg verwirrte.

Das Deuten der Zukunft eines Kindes hat mehrere Vorteile - man war unter Umständen nicht nur gewarnt und konnte versuchen, auf den Fluss des Schicksals Einfluss zu nehmen - die Eltern konnten ihr Kind schon früh auf das vorbereiten, wofür es geboren war. Neben den von mir erwähnten Verwandten und meinen Geschwistern, gehörten auch noch weitere Personen unserem Stamm an und darunter fand man auch Kämpfer, wie Zahid, welcher mich noch heute begleitet. Jeder fand so schon früh seinen Platz. Allein ich wusste nicht so recht, wohin ich gehören sollte.

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Doch statt mich meinem scheinbar zukunftslosen Schicksal zu ergeben, versuchte ich mich im Laufe der Jahre in verschiedenen Handwerksarbeiten. Ich lernte zu spinnen und zu weben und zu nähen, doch merkte ich, dass es mir die Geduld dafür letztlich fehlte. Ich begann zu schnitzen und fertigte kleine Holzfiguren an, doch ein wirkliches Talent hatte ich dafür auch nicht, so dass ich es bleiben ließ. Ich versuchte im Zubereiten von Speisen, was mir zwar halbwegs gelang, doch dann begann ich mich für das Jagen zu interessieren, um bald darauf davon abzulassen, da ich es doch reizvoller fand, mich um die Ziegen, die uns begleiteten, zu kümmern und sie zu hüten, doch empfand ich das ebenso bald als ermüdend.

So ging es in einem fort und die Jahre zogen ins Land, während unser Stamm durch die Wüste und die Gebirgsränder zog, an Oasen Halt machte, Wasser auffüllte, Früchte sammelte, in größeren Gewässern auch fischte.

In der Zwischenzeit hatte meine ältere Schwester begonnen, bei unserer Großmutter zu lernen. Sie sollte später die Schamanin unseres Stammes werden - so hatte es Großmutter in ihren Träumen gesehen. Sagte sie jedenfalls.
Damals, ich war nun gut 14 Jahre alt und kürzlich zur Frau erblüht, was bei uns stets gefeiert wurde, fragte ich, als ich das Fischen satt hatte und etwas Neues lernen wollte, ob ich dem Unterricht ebenso beiwohnen durfte. Lange hatte mich Großmutter mit ihren dunklen, fast schwarzen Augen betrachtet. Ein Blick, bei dem man immer das Gefühl hatte, sie würde einem tief in die Seele blicken. Ich hatte es mir angewöhnt, ruhig zu bleiben bei diesem Blick. Dieses Mal starrte ich sogar zurück, als wäre es ein kleiner Wettbewerb für mich gewesen. Dann, nach einer kleinen Weile, lächelte sie nur mild und erlaubte es mir. Aber ich hätte mich zu benehmen. Als kleinen Derwisch hatte sie mich schon manches Mal bezeichnet, da ich selten ruhig an meinem Platz bleiben konnte (der Grund, warum mir das Fischen natürlich nicht lag). Auch sollte ich endlich einmal länger bei einer Sache bleiben, schärfte sie mir etwas strenger ein.

In den kommenden Jahren wohnte ich vielen Ritualen und Gesprächen bei. Zwar ergriff ich nie selber die Initiative und schwieg die meiste Zeit, aber dafür lauschte ich umso aufmerksamer.

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Ich wurde Zeuge, wie meine Schwester all die alten Rituale erlernte. Ich war an ihrer Seite, als sie eine Nacht lang eine Totenwache bei einem toten Krieger hielt und ihn für den kommenden Tag vorbereitete, ehe am nächsten Tag der gesamte Stamm sich versammelte und sie und Großmutter das Ritual zu seinem Übergang ins Totenreich einleiteten. Ich war Zeuge, als meine Schwester das erste Mal einen ekstatischen Tanz tanzte, um eins zu werden mit der Welt der Geister. Ich beobachtete sie und Großmutter, wie sie ein Zelt, welches von einem Shaitan heimgesucht worden war, von diesem säuberten und anschließend mit Räucherwerk reinigten. Nur bei Ritualen, die einzig für meine Schwester bestimmt waren, durfte ich nicht dabei sein.

Worum es dabei ging erzählte mir aber Großmutter dennoch. So suchte meine Schwester einst einen Geist, der sie begleiten würde. Üblich war es, diesem Geist ein Heim anzubieten. Manche nutzen dafür Flaschen, andere Amulette, andere kleine Laternen.
Manchmal übte ich sogar heimlich die Tänze, die meine Schwester getanzt hatte. So hatte ich ihr einmal heimlich eine Tiermaske entwendet, die einen Löwenkopf darstellen sollte und ich begann in einer Nische - wir lagerten gerade am Rande eines Gebirges - um ein kleines Feuer zu tanzen, ging sogar auf alle Viere hinab und fauchte und "brüllte" wie ein Löwe. Ich glaubte sogar zu spüren, wie ich stärker wurde ... bis ich ein Lachen hörte.
Zahid Nur Jabalah, ein Krieger unseres Stammes und ein paar Jahre älter als ich, hatte mich offenbar gefunden, denn immerhin war es auch seine Aufgabe, auf die Mitglieder des Stammes zu achten und unzweifelhaft amüsierte ihn mein Auftreten.
Vollkommen verdattert hielt ich inne, rappelte mich sogar rasch und wie ertappt wieder auf zwei Beine auf. Beschämt eilte ich davon, ohne ein Wort zu ihm zu sagen. Einen Moment folgte mir noch das Lachen, bis ich mich schweigend in das Zelt meiner Familie verkroch und die Decke über meinen Kopf gezogen hatte. Manches Mal zog er mich noch damit auf, aber verraten hatte er es wohl niemanden - wofür ich dankbar bin.

So hätte also das Leben weiterziehen können. Ich als unstetes Windkind eine Tätigkeit nach der anderen ausprobierend, derweil ich weiterhin meiner Großmutter und Schwester lauschte.
Mal glaubte ich sogar, ich könnte meine Zukunft in einer Familie finden, als ich mich in einen Stammesangehörigen verliebte, aber mehr als Küsse und gemeinsames Sitzen am Feuer und sich ab und an ein schüchternes Lächeln zuwerfen, gab es nicht und so begrub ich auch die Idee.
Als ich noch nicht ganz 20 Jahre alt, starb Großmutter und meine Schwester nahm ihren Platz nun als vollwertige Geisterbeschwörerin ein. Der Unterricht endete also und ich konnte ihr bestenfalls zur Hand gehen, wenn sie mit verschiedenen Utensilien wie Rauchgefäßen, Flaschen, Masken und Instrumenten hantierte.

Doch dann, vor wenigen Wochen erst, passiert etwas, was unser aller Leben drastisch verändern sollte ...

Herkunft und Schicksal III

Meine Schwester hatte scheinbar nicht die Gabe, in die Zukunft blicken zu können. Einzig an Deutungsversuche wagte sie sich, indem sie die Muster, die die geworfene Knochen bildeten, zu deuten versuchte. Doch mehr als eine reine Interpretation war es nicht und auch die "sehenden Träume", wie es Großmutter immer nannte, blieben aus.
So sahen wir zu spät das Unglück, was in Form eines gewaltigen Sandsturmes auf uns zuraste.
All die Jahre zuvor hatten wir uns in der Hinsicht immer auf Großmutter verlassen können, doch nun waren wir entsprechend verwundbar und schwere Wunden waren es auch, die der
gewaltige Sandsturm in unserem Stamm hinterließ.
Viele starben, viele wurden schwer verletzt und ebenso gingen viele verloren in dem brausenden, schmerzhaften Inferno aus Wind und Sand. Mit unseren Tieren und alles, was wir besaßen, verhielt es sich genauso. Schwer war die Reise zum nahen Gebirge, als der Sturm sich gelegt hatte und erst hier hatten wir endlich Gelegenheit die geschlagenen Wunden zu betrachten und zu versorgen.

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Meine Schwester war fort. Mein Vater tot, Mutter wiederum lebte. Unser Stammesführer war hingegen schwer verletzt und nur wenige hatten das Unglück überlebt, unter ihnen auch Zahid.

Keiner von ihnen war vertraut mit den korrekten Totenriten. Sie wussten bloß grob, was getan werden musste und so lag es an mir, die Toten für ihre Reise ins Totenreich vorzubereiten und eine Nacht lang Wache zu halten, obgleich ich selber verletzt und vor allem entsetzlich müde war. Durstig war ich, denn wir hatten nur noch wenig Wasser und diejenigen, die noch in der Lage waren, sich auf eine Wanderung zu machen, hatten sich auf den Weg tiefer ins Gebirge gemacht, um nach Wasser und vielleicht auch Früchten oder Wild zu suchen.
Auch der Hunger plagte mich, aber ich hielt stand und so starrte ich in der Nacht von meinem Platz, etwas abseits des restlichen Stammes und seines Lagerfeuers, in den Sternenhimmel, still trauernd und der Toten gedenkend, wie es Brauch war, doch meine eigentliche Aufgabe war auch das Wache halten, um zu verhindern, dass übermütige oder sogar bösartige Geister Besitz von den Körpern der Toten ergreifen könnten. Ein kleines Feuer war es nur, was in meiner Nähe loderte und eingehüllt war ich in eine der wenigen Ziegenhaardecken, die wir noch besaßen. Mein Magen knurrte wieder und ich rieb mir zum wiederholten Male die müden, brennenden Augen, als ich ein leises Rufen vernahm.

Ich drehte den Kopf, sah umher in der felsigen Umgebung, die lange, tiefe Schatten im Mondlicht warf. Meinen Namen glaubte ich zu hören und schaudernd richtete ich mich auf. Wacker bleiben, sagte ich mir, kein Geist darf diese Nacht den Toten zu nahe kommen. Näher kam die Stimme, eine warme Brise, was ungewöhnlich in der Nacht ist, streifte mich und fast glaubte ich zu spüren, dass eine Hand sanft über mein Haupt strich.
"Asra, meine kleine Asra. Nie hätte ich gedacht, dass du es wirst."
Ich blinzelte verblüfft, sah mich erneut um, sah jedoch niemanden. Doch die Stimme, da war ich mir sicher, war die meiner Großmutter. Ich rief sie, doch sanft lachte sie.
"Du machst es schon richtig, Asra. Denn das ist dein Weg und ich sehe nun, warum er vor mir verschleiert war."
"Warum?"
"Ich muss wieder gehen, mein Kind. Irgendwann sehen wir uns wieder."
"Großmutter!" rief flehend ich in die Nacht hinaus und spürte, wie die Kälte wieder zunahm.
Doch da war nichts als Schweigen und das leise Säuseln des kühlen Nachtwindes, der mich frösteln ließ.
Aufgewühlt setzte ich mich wieder ans Feuer und hatte das unangenehme Gefühl, etwas würde mich beobachten. Nicht, dass es für mein Volk so ungewöhnlich wäre, ist doch alles beseelt, aber in dem Moment hatte ich das Gefühl, sämtliche nichtmateriellen Augen wären auf mich gerichtet und ich hätte mich zu beweisen.

Die Nacht verging ohne weitere Vorkommnisse und am nächsten Tag wurden die Körper der Toten gemäß unserer Stammesriten erst verbrannt, ehe ihre Asche im Wind verteilt wurde. Ich war nervös bei dieser Zeremonie, die ich zu leiten hatte. Ich war es nun, die im Fokus der Aufmerksamkeit all der restlichen Stammesmitglieder stand. Manches Mal wankte meine Stimme, wenn ich die althergebrachten Worte sprach, doch am Ende war es geschafft und ich hoffte bloß im Stillen, die anderen waren zufrieden.

Die nächsten Wochen verblieben wir am Rande des Gebirges, denn die Verwundeten wurden weiter gepflegt und man besprach das weitere Vorgehen. Es dauerte, bis eine Lösung für unseren Stamm gefunden wurde. Eine Lösung, die das Ende des Stammes bedeutete und entsprechend schwer fiel es meinem Onkel, dieses zu verkünden. Der Stamm war nun zu klein und zu schwach, um weiter bestehen zu können und so sollten wir uns alle aufmachen und uns entweder einen anderen Stamm suchen oder uns in den Oasen niederlassen. Die Kinder des Windes waren damit Geschichte.

Der Abschied fiel mir schwer und ich wusste beim besten Willen nicht, wohin ich gehen sollte. Ich entschied mich daher einem Stammesmitglied zu folgen, indem ich mich einfach im Kreis drehte, die Augen kurz schloß und als ich die Augen öffnete, schlicht den nächstbesten Fußspuren folgte - es waren die von Zahid.

Herkunft und Schicksal IV

Teils tut er mir leid, dass er mit meiner Anwesenheit nun geschlagen ist, zumal er ein gewissenhafter Beschützer ist. Doch vielleicht kann ich mit seinem Schutz tatsächlich zu etwas heranreifen und etwas werden?
Vielleicht eine Geisterbeschwörerin?
Das klingt so fern und gar nicht nach mir. Ich weiß, dass ich manchmal etwas anstrengend bin und so gar nicht meiner verstorbenen Schwester oder meine Großmutter gleiche.

Es wird sich zeigen, ob es mein Weg ist. Allein - es macht mir etwas Angst, denn das Dasein eines Geisterbeschwörers ist ungleich gefährlicher als der eines Ziegenhirten oder Fischers.

Gegenwart - Das Geisterszepter

Als ich an diesem Morgen erwachte und die heiße, doch leicht feuchte Luft der Oase einatmete, war eines der ersten Empfindungen ein dumpfer, beständiger und warmer Schmerz in meiner linken Hand. Müde erhob ich mich, taumelte in meiner leicht zerknitterten Kleidung zu einem Brunnen und schöpfte mit der rechten Hand mittels einer flachen Schale Wasser, um die linke Hand dort einzutauchen. Stark gerötet war die Haut, hier und da eine Blase, doch ansonsten fühlte sich die Hand vor allem hart und steif an, wenngleich ich es eh nicht wagte, sie großartig zu bewegen. Ich nahm etwas Stoff aus einer Tasche, von dem ich dachte, ich würde ihn vielleicht mal für Zahid benötigen, wenn er wieder schwer verletzt von einem Kampf zurückkehrt, doch stattdessen tauchte ich den Stoff in das kühle, frische Wasser ein und band ihn mir um die Hand.
Ich weiß nicht, was meine Hand so derartig verletzt hat.
Jeder andere Mensch wäre wohl in Panik geraten und auch mir wurde an diesem Morgen mulmig zumute, denn das Szepter gestern war meine erste Aufgabe - was würde mich also noch erwarten? Und doch war es nicht zu ändern. Mein Weg war nun der Weg der Geister - das stand fest.

Vor einigen Tagen sprach ich mit Arif am oberen See der Oase. Dort, wo die Luft noch etwas kühler und feuchter ist und das frische Wasser direkt aus dem Gestein zu sprudeln scheint, zeigte er mir einen Stein, der im ersten Moment aussah, wie jeder andere. Er hieß mich, den Stein zu berühren, was ich tat und da fühlte ich etwas - mir wurde mal heiß, mal kalt. Abwechselnd, doch nicht unangenehm und am Stein selbst erkannte ich nun Glyphen, die ich nicht zu entziffern wusste. Dies, so sagte es mir Arif, wäre der Beweis, dass der Weg der Ahnen für mich bestimmt wäre. Dass meine Großmutter es nie erkannt hatte, mochte wiederum auch einen Grund haben. Vielleicht hatten die Ahnen ihn verschleiert. Doch aus welchen Grund? Das galt es irgendwann rauszufinden. Oder ich würde es noch von selbst merken. Wer weiß.
Danach gab mir Arif meine erste Aufgabe. Er hatte mir sein Geisterszepter gezeigt. Einen eigenartigen Stab, wie ihn auch so in der Art meine Großmutter und meine Schwester stets bei sich getragen hatten, wenngleich jeder etwas anders aussah. Offenbar also ein wichtiger Ritualgegenstand. Meine Aufgabe war es also nun, Materialien dafür zu suchen. Ich würde es selber erkennen, ob das Material, was ich berühre, das richtige für den Stab wäre.
So war es auch - die Knochen von Antilopen, die Federn eines Falken, ein Seidenfaden, das Holz eines Sumpfbaumes und am Ende noch ein Barren eines schwarzen Metalls, Schattenfels, waren das Material, aus dem mein Stab bestehen sollten. Es war teils eigenartig und ich muss zugeben, so etwas, wie das, was ich fühlte, sah oder spürte, war mir bisher noch nie widerfahren. Als ich das erste Mal die Antilopenknochen, die mir Zahid gegeben hatte, in den Händen hielt, sah ich die Tiere, wie sie durch die Wüste wanderten in ihrer Herde ... so wie einst unser Stamm. Bei den Federn hatte ich die Freiheit des Falken gespürt, beim Seidenfaden für einen Moment gesehen, was aus dem, was in dem Kokon, dessen Teil der Faden einst gewesen war, hätte werden können, nämlich ein herumflatternder Falter. Bei dem Holz hatte ich förmlich die erdige Feuchtigkeit und Kühle wahrgenommen und der Schattensteinbarren, tja, der war der Rätselhafteste. Ich kann das Gefühl noch immer nicht in Worte fassen. Es war vor allem Kälte, die ich gespürt hatte. Dunkelheit, Flüchtigkeit, Unbeständigkeit, dunkle Herrschaft, grelles Licht und tiefe Schatten. Egal. Bei den anderen Barren hatte ich dafür nichts Ungewöhnliches wahrgenommen, so dass er offenbar richtig war.

Am gestrigen Abend traf ich nun Arif und wir machten uns wieder auf den Weg zum See. Er warnte mich noch, bevor wir begannen - ich müsste mit meinem Geist meinen Körper für den Moment loslassen und acht geben, damit ich am Ende wieder ich selbst sein kann. Ein Geist sollte also meinen Leib übernehmen und den Stab herstellen.
Unsicherheit keimte durchaus in mir auf. War ich wirklich bereit? Wollte ich das weitermachen? Sollte ich nicht lieber umdrehen und etwas anderes in meinem Leben versuchen? Kurz keimte der nicht sonderlich ernst zunehmende Gedanke auf, dass ich mich noch nicht im Schmiedehandwerk probiert hatte. Doch ich sah Zahid vor mir und glaubte ihn zu hören - ich sollte endlich etwas zu Ende führen. Davon ab - konnte ich mich wirklich meinem Schicksal entziehen? Letztlich dachte ich auch an meine Großmutter, wie sie vor vielen Jahren zu meiner Schwester gesagt hatte, dass es immer eine Schamanin des Stammes der Windkinder geben muss. Ich war die letzte.

Ich atmete tief durch, sammelte mich noch einmal, suchte einen Moment Ruhe, ehe ich dann die Phiole an mich nahm, die mir Arif gab, öffnete sie, während ich versuchte, loszulassen. Ein Nebel drängte aus der Phiole und auf mich zu ...
Was danach geschah? Ich weiß es nicht.



Geist.png

Freiheit!
Verflucht seien die Sterblichen und ihre Angewohnheit, alles in zu enge Gefäße und Käfige sperren zu müssen!
Aber nun war sie da, die Freiheit und vor mir ein Körper, der förmlich danach schrie, besetzt zu werden. Ein Körper, den man bewegen und nutzen konnte. Allein, irgendwas drängte mich, als hätte mich etwas oder jemand an eine Leine gelegt.
Sterbliche, pah!
Ich sah gleich, was getan werden musste. Ein Stab also? Nichts leichter als das.
Das Holz hob ich an vor meinen Augen, die - flammend zuerst, dann glühend - gewiss ungemein erschreckend auf nichtsnutzige Menschlinge wirken mussten. Ich wollte alles aufbieten, um ihnen zu zeigen, dass man nicht so mit mir umspringen konnte!
Wie auch immer. Ich griff zum Holz, wand es in den puren Händen, so dass es eine verdrehte Form erhielt. Danach verband ich die Knochen und das Holz, befestigte mit dem Seidenfaden die Federn an dem Stab und griff schlussendlich zu dem Metallbarren.
Ich sammelte nochmals meine ganzen Kräfte und pustete meinen heißen Atem über das zuvor kühle Metall, was in der linken Hand dieses dummen Menschlings rasch heiß wurde und zu schmelzen begann. Innerlich lachte ich auf. Das wird dieses dumme Ding ewig an mich erinnern!
Sodann jedoch verzierte ich mit dem schwarzen Metall die Windungen des Stabes, als hätte ich bloß Farbe in der Hand und letztlich glimmten Glyphen in der Sprache der Geister und Ahnen an ihm kurz auf - das Werk war vollbracht und ich präsentierte den Stab! Wer konnte das auch besser als ich?
Ich hörte die Stimme des anderen, der gegenüber dem Körper, in dem ich saß, hockte.
War er derjenige, welcher ...
Doch bevor ich den Gedanken weiterführen konnte, nahm ich eine andere Präsenz war. Mir war, als wenn sich jemand förmlich herandrängte. Allzu einfach wollte ich es dieser Sterblichen nicht machen und stemmte mich dagegen an. Verzweifelt wirkte es kurzzeitig, wie sie dagegen hielt, sich dann aber zusammenriss und mich mit geballter Kraft wegstieß.
Sterbliche ...


Das erste, was ich sogleich wahrnahm, war der entsetzliche Schmerz in meiner linken Hand. Irgendwas verflucht Heißes musste ich damit gehalten haben und eilig tauchte ich die Hand in das kühle Wasser der Quelle ein, was mir kurzzeitig Linderung verschaffte.
Arif sprach davon, dass solche Rituale eben auch bleibende Erinnerungen in Form von Narben hinterlassen könnten und zeigte mir seine. Auch er wusste nicht, wie es dazu kam und während meines Rituals war er wohl ebenso körperlich nicht unbedingt anwesend gewesen, um dies zu beobachten.
Du wirst dich verändern, Asra. Das sagte ich mir im Stillen. Ich würde wohl nie eine Frau werden, die man wegen zarter Hände und herausragender Schönheit loben würde. Aber das war eine Erkenntnis, die ich schon vor langer Zeit gewonnen hatte. Mir war es eh gleich. Eigenartig nur, dass mir bei den Gedanken Zahid einfiel und wie er mich ansah, als ich das erste Mal die Essenz aus dem Leib einer Antilope, welche ich zuvor schwach vernommen hatte, gelöst hatte, um sie in eine Phiole zu verschließen. Schwer war er zu deuten. Vielleicht eine Art Respekt? Aber auch gepaart mit eine wenig Furcht? Ich tat immerhin etwas, was ich mir selber noch schwer erklären konnte. Aber andererseits hatte ich immer nach einem festen Platz gesucht. Eine Aufgabe, die ich erledigen konnte und durfte. Nun hatte ich eine und das erste Mal würde ich nun an meiner linken Hand davon tragen.
Noch während ich meine Hand ins Wasser hielt, bemerkte ich jedoch einen alten Mann auf der anderen Seite des Ufers. Langes, salzweißes Haar hing an ihm herab. Tiefe Falten hatten sich in das von Wind und Sonne gegerbte Gesicht gegraben und ich musste an die Beschreibung denken, die man mir von Aktari, einem weisen, alten Schamanen, gegeben hatte. Ob er es wohl war?

Er war es und als er sich erhob und um den See herumging, kam damit die zweite Aufgabe auf mich - auf uns - zu.
Doch davon ein anderes Mal.

Träume - Schattentanz

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Ich wusste, dass ich träumte. Das war neu. Aber im wahren Leben hätte ich nicht das getan, was ich nun tat.
Ich fand mich wieder am Feuer meines Stammes, sah sie alle um mich versammelt, über die ich gewacht hatte, ehe die Totenzeremonie abgeschlossen war. Normalerweise wäre ich zumindest verwirrt gewesen, warum sie wieder bei mir waren, aber dieses Mal erschien es mir klar, dass es nur ein Traum war.
"Nur" ein Traum - wirklich "nur"?
Ich sah mich, wie ich zu einer Musik, die quälend langsam begann, zu tanzen anfing. Darbouka wurden geschlagen, das Riqq mit seinen Schellenpaaren stieg mit ein und ich sah mich in fließenden, weißen Gewändern zur Musik bewegen.
Ich hatte früher nicht oft getanzt. Ich überließ es lieber jenen im Stamm, welche mit einer üppigeren Weiblichkeit aufwarten konnten. Aber ich spürte, dass es egal war. Ich dachte nicht daran, ob es gut aussah. Es sah gut aus - weil ich etwas tanzte, was in mir tief zu schlummern schien und befreit werden wollte - wie eine Erkenntnis, die ausgesprochen werden möchte. Die Musik, die Bewegungen, das Gefühl dazu - das alles berührte mich in meinem Inneren. Ließ mich schauern und antreiben, als könnte ich nicht genug davon bekommen.
Gräulich verfärbten sich meine Gewänder, während ich mich ums Feuer bewegte, lockend die Finger bewegend.
Und dann erkannte ich mehr als nur meine Ahnen. Schatten vibrierten und erzitterten unter meiner lockenden Gestik, die wie ein Ruf wirkte, ehe sie sich wabernd erhoben, Formen annahmen, ohne wirklich stofflich zu werden. Ich sah mich, wie ich sie lockte, erkannte, wie das Feuer sich wandelte und dunkler zu werden drohte, ohne an Licht einzubüßen, denn im tiefen Inneren brannte noch eine blaue, glühendheiße Flamme.
Rascher wurde die Musik, rascher mein Tanz und schneller wirbelte ich mit den Schatten umher, verschwimmend scheinbar, als würden wir eins werden - eine Ewigkeit, so schien es, während meine Ahnen mir zusahen. Waren sie es sogar, die die Musik spielten, nach der ich mich drehte und bewegte?
Dann endete es.
Zurück blieb einzig ich, auf dem kargen, vom Wind geradezu wellenförmig geschnittenen Wüstenboden, während weit im Osten die Sonne sich allmählich erhob. Meine Gewänder waren schwarz.

Meine zweite Welt ist die nicht-materielle Welt der Schatten und Geister. Nichts davon ist fassbar, oftmals nicht sichtbar, vor allem nicht für das unkundige Auge. Bestenfalls kann man sie fühlen. Ihre Präsenz, die einem Schauer über den Rücken jagt und das Herz rascher klopfen lässt. Geister sind nicht grundsätzlich gut oder böse. Sie sind fast wie wir, denn auch wir haben unsere Gründe, warum wir etwas tun, was manche nicht als gut ansehen. Ist ein Mann denn böse, der einen anderen tötet, um seine Familie zu schützen? Ist ein Geist böse, welcher auch nur etwas zu schützen versucht oder ein Ahn, welcher von unerfüllter Rache getrieben wird?
Ja, dachte ich, als ich noch zwischen Wachen und Träumen schwankte, das Echo einer anderen Zeit und eines anderen Raumes verklang und langsam die Müdigkeit meines Körpers spürte, der meinem erwachenden Geist zu gehorchen hatte. Das ist mein Weg.

Gegenwart - Vom Tod, vom Leben und dem ganzen Rest

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Die Sonne stand schon fast am höchsten, die Mittagshitze zog ins Land, als ich mich auf den Weg zurück zu den Platz machte, wo ich meist um diese Zeit verweilte. Mal, um etwas Schlaf zu finden und die heißeste Zeit des Tages müde zu verdösen, mal um ein paar Früchte zu essen und über Vergangenes nachzudenken. So wie jetzt.

Die letzten Tage brachten manche Veränderung im Kleinen wie im Großen mit sich. So war ich bei der Öffnung des Tores in Dengra zugegen gewesen und hatte selber über das Rätsel nachgedacht und versucht, es für mich zu lösen, mich ansonsten aber im Hintergrund haltend. Ich war überrascht, als dann eine Lösung offenbart wurde, auf die ich nie gekommen wäre. Sie entsprach nicht meinem Weltbild und offenbarte, dass die Torwächter vermutlich das Weltbild des jeweiligen Landstriches besaßen, in dem das Tor stand. "Das Böse" war die Lösung.
Was ist das Böse, fragte ich mich danach. Nicht, dass mir dieser Begriff unbekannt wäre. Rasch ist man mit einem Urteil zur Hand und nennt etwas "böse", was einem nicht genehm ist. Aber gibt es das reine Böse überhaupt? Kann ein Mensch oder ein Tier einfach nur böse sein? Grundlos böse?

Ich denke, dass dem nicht so ist. Nehmen wir die Elemente - sie haben gute, aber auch scheinbar schlechte Seiten. Feuer wärmt uns in der Nacht, kann aber auch ein Zelt oder gar Lebewesen verbrennen. Wasser löscht unseren Durst, doch man kann auch darin ertrinken. Wind kühlt uns, doch ein Sandsturm kann ganze Stämme auslöschen. Erde nährt uns, doch ein Beben oder ein Felsrutsch kann tödlich sein.

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Aber ist das nicht auch ein Ausdruck für den Lauf des Lebens? Man kommt zur Welt, doch irgendwann wird man sterben müssen. Alles ist endlich und es muss auf der Welt eben etwas geben, was dem Leben ein Ende setzt. Ist, wenn man länger darüber nachdenkt, nicht sogar ewiges Wachstum etwas, was vielleicht am Ende so etwas wie böse wäre? Kann und darf etwas ewig leben und wachsen? Würde damit diese Etwas nicht zuviel Macht und Kraft ansammeln? Ein Mensch, der ewig lernt? Ein Raubtier, was mit jedem Lebensjahr mehr Kraft sammelt? Ein Landstrich, der unendlich wuchert und alles überwächst?
Diese Gedanken ließen mich stärker erschauern als Gedanken über den Tod. Der Tod setzt all dem ein Ende und lässt Raum für Neues, was ebenso endlich ist und damit auch wieder Raum für etwas anderes Neues lässt. Das ist der Lauf der Lebens und das ist richtig so - so sehe ich das, aber ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die in dem Tod etwas Schlechtes sehen, wird mit dem Tod doch ein geliebter Mensch genommen. Aber tut das der Tod wirklich?
Nein, denn die Ahnen sind mit uns. Doch obliegt es gerade den Schamanen, den Menschen, die jemanden verloren hatten, Trost zu bringen und ihnen davon zu erzählen, dass die Ahnen bei ihnen sind.

Ich hörte mich also etwas um, was andere zum Bösen sagen können. Ich sprach mit zwei Personen in der Kaiserstadt, aber da, so muss ich gestehen, war ich selber noch nicht ganz vorbereitet und wusste nicht wirklich, was ich alles fragen und sagen könnte. Unstetes Windkind, wie ich bin, war ich gleich abgereist, als mir dieser Gedanke kam, die Menschen dort zu befragen. Aber es war auch nicht umsonst. Ich hörte von Strafen für Diebe bei den Kaiserlichen, aber auch bei den Nordländern. Die Strafe der Nordländer klang für mich vernünftig und ich kam später zu dem Schluss, dass wohl jene Kulturen besonders hart und ungerecht strafen, die an das absolute Böse glauben und das wohl vermeindlich Gute verehren, was ihnen, wenn ich das richtig verstand, sogar Absolution für ihre Taten erteilt. Also vermute ich, dass ein Beschützer der Stadt, welche sie als glänzend bezeichnen, einen Dieb so sehr bestraft, dass dieser nicht mehr arbeiten kann und weiter rauben muss und danach lässt sich der Gardist diese harte Strafe vergeben. Oder? Ich werde weiterhin nachfragen müssen.
Aber auch in meinem Volk scheint es unterschiedliche Auffassungen von Böse zu geben. So sprach ich mit Kadir und er erwähnte etwas, was er als "Chaos" bezeichnete. Auch mit ihm werde ich sicher noch weiter darüber reden, aber vor allem auch mit den anderen meines Volkes. Ein paar Meinungen kenne ich schon. Manche gehen mit meinen konform, andere in eine andere Richtung. Interessant ist es allemal.

Kadir. Die Gespräch mit ihm genieße ich aktuell sehr. Ein Elementarist, der erst vor wenigen Tagen die Oase erreichte und den Pfad der Erde beschreitet, doch - und das ist das ungewöhnliche - eine gewisse Liebe zum Wind hegt, die dieser nicht erwidert, wie er es ausdrückte. Ich machte ihm Mut. Vielleicht wird er irgendwann tatsächlich mächtig genug sein, dass der Wind seine Liebe erwidert. Vielleicht will der Wind sogar, dass er nach ihm strebt, wie eine eigensinnige Verliebte.
Aber Kadir ist auch jemand, mit dem ich offenbar gut über meinen Weg reden kann. Bei anderen bin ich häufig unsicher. So hatte ich bei Armin anfangs die Befürchtung, er würde sich nun fürchten, nachdem er sah, was ich mit den Untoten in der Höhle tat und er daraufhin fragte, was ich mit deren Energie anstellen würde. Früher wäre es mir wohl selber eiskalt den Rücken hinuntergelaufen, wenn ich gewusst hätte, auf was Großmutter bisweilen zurückgriff, um einen schwerverwundeten Beschützer des Stammes zu heilen, so dass dieser wenig später schon wieder auf den Beinen stand, als wäre kaum was Schlimmes gewesen.
Mir kam sogar kurz der Gedanke, ob es möglich wäre, auch einen Menschen derartig die Energie zu rauben. Aber das wäre eine Handlung, die man als "schlecht", "böse" verurteilen kann. Faszinierend ist der Gedanken zwar auf einer Weise, doch mein Gewissen hält mich davon ab, den Gedanken weiter fortzuführen. Mir scheint, dass man auf dem Weg als Schamane einen bisweilen gefährlich schmalen Pfad zwischen Licht und Dunkelheit beschreitet.
Aber verfalle ich damit nicht auch in das Denkschema, welches dem der Kaiserlichen ähnelt? Und warum sollte Dunkelheit schlecht sein? Die Nacht ist dunkel und kalt, ja, aber deren Kühle ist notwendig, um der Erde und den Menschen Ruhe zu gönnen, ehe die Wärme und sogar Hitze des Tages wieder anbricht. Alles hat seinen Sinn und scheint notwendig für ein Gleichgewicht.

Gleichgewicht - das Stichwort, was mich daran erinnert, Jaafar nach dem Namen des Mannes in Grün zu fragen, den er offenbar kennt und der bei Dengra das Wort nutzte, als der Torwächter nach einem Kämpfer gegen das Böse verlangte. Mich dürstet es zu wissen, was er sich darunter vorstellt und was sich dieser Mann unter das "Böse" vorstellt.

Und neben all diesen Fragen ist da noch der Alltag in der Oase, wo ich mich mehr und mehr einlebe. Zu manchen habe ich sogar schon eine recht gute Verbindung, wie zum Beispiel Rya oder der erwähnte Armin. Letzterer ist ein ganz eigener Sonnenschein und tatsächlich hatte ich mich geirrt, was meine Befürchtung um seine mögliche Furcht angeht. Am Tag darauf lächelte er mich wieder an und mir scheint es, als ob ihm meine Meinung sehr wichtig wäre. Ich hoffe jedoch sehr, dass es nur daran liegt, dass ich eine Wanderin auf dem Pfad der Ahnen und Geister und nicht, weil ich eine Frau bin.

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Zuletzt, ehe die Mittagshitze wieder abebbt, denke ich noch an die Pantherhaut, welche hier im Schatten liegt und von der ich das restliche Fleisch des Tieres bereits abgeschabt habe, damit sie nicht zu sehr stinkt oder sogar Fliegen anzieht. Mit dem Holz und den Häuten haben Arif und ich nun alles, was Aktari, jener weiser, alte Schamane, von uns verlangte. Was daraus nun werden soll, wissen allein er und die Ahnen, doch ich bin erleichtert, dass wir es geschafft hatten.
Ich muss gestehen, dass ich Angst hatte. Auch Angst vor dem Tod, wenngleich das einem angehenden Geisterbeschwörer wohl nicht zustehen sollte. Doch ein Puma ist kein Vergleich zu einer kleiner, harmlosen Hauskatze.
Zwei dieser Tiere fand ich auf meinen Wanderungen im Garten des Überflusses und dorthin begaben sich Arif und ich, als die Zeit gekommen war - es war Mitternacht, die dunkelste Stunde und noch dazu Neumond. Eine schicksalshafte Nacht also.
Im Garten des Überflusses fanden wir rasch das erste Tier. Ein flinkes Weibchen, welches von Arifs Schattengeist jedoch bald übermannt worden war und letztlich unter dessen Angriffen starb. Ich ging auf das tote Tier zu, erst noch unsicher, ob es vielleicht doch noch Leben zeigen und zuschlagen könnte, doch es war tot. Einzig ein letzter Rest Energie war noch erkennbar für die Sehenden. So beeilte ich mich mit dem Häuten, was ich glücklicherweise oft genug bei meinem Vater gesehen und zeitweise auch von ihm gelernt hatte. Danach bedankte ich mich bei dem Geist des Tieres und entzog dem Leib den letzten Funken Energie, um diesen frei zu lassen, damit wir es am Ende nicht mit einem ruhelosen und rachsüchtigen Pumageist zu tun bekommen.
Bevor wir das zweite Tier angreifen konnten, schwankte jedoch Arif. Er war erschöpft, denn die Kontrolle des Schattengeistes fraß seine eigene Kraft rasch auf. Als er an den Stamm einer Palme zurücksank, näherte ich mich ihm, berührte ihn an seiner Stirn und spürte, wie förmlich der Wille, ihm zu helfen, seinen Geist zu klären und ihn zu stärken, damit er einen zweiten Geist rufen und kontrollieren konnte, wuchs. Ich sprach die alten Worte, die ich so von Großmutter einst gehört hatte (oder gerade in diesem Moment?) und offenbar trugen meine Bemühungen Früchte, so dass er etwas gestärkt einen Schattengeist rufen konnte. Diesen Geist nährte ich nun mit meinen Willen und der Energie anderer Geister, als der Puma ihn stark zusetzte und letztlich starb auch das zweite Tier, dass dann von Arif gehäutet wurde. Danach dankte auch er dem Geist dieses Tieres und entließ ihn in die Freiheit.

Dies war geschafft und auch wenn ich angespannt und unsicher war, war ich - waren wir - weiter vorangekommen. Ich harre nun gespannt aus bis zum nächsten Treffen mit Aktari und frage mich im Stillen, wozu wir das Holz und die Haut wohl brauchen werden. Aber mir liegen auch viele Fragen auf der Zunge, die ich dem alten Wanderer gerne stellen möchte.

Gegenwart - Heimat, Glaube und Käfer

Kann es einen schöneren Ort in dieser Welt geben, als die Blume des Südens? Mehr und mehr fühle ich mich heimisch, auch wenn mich immer wieder mein Trieb zu reisen und mehr von der Welt zu sehen, hinaustreibt. Doch wenn ich dann wieder zurückkehre, ist es, als wenn ich in die Arme einer liebenden Mutter zurückkehre. Manchmal etwas beengend, doch im Grunde ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit.

Diese Gedanken überkamen mich, als ich vom Kloster zurückgekehrt war. Schon auf der Brücke, als ich just das Kloster verließ, überkam mich ein innerlich wärmendes Gefühl in dieser kalten Umgebung. Es ging heim und ich freute mich darauf, doch es war auch wie ein Ruf, als wenn mir die Oase und sein ganz eigener Geist zurufen würden, dass ich hierher gehöre und nicht ins Reich der Kaiserlichen.
Welch absurder Gedanke das auch wäre.

Der Besuch im Kloster war ... es ist noch immer schwer in Worte zu fassen, muss ich gestehen, doch zeitweise hatte ich das Gefühl, auf Treibsand zu wandeln. Drei Personen, die die Zeit hatten, mit mir zu reden, traf ich nun an. Eine von ihnen, eine ältere Frau, war offenbar eine Art Mentor und eine hohe Priesterin. Die anderen beiden lernten offenbar noch. Eine von ihnen, Ajax Calent, zeigte sich in ihrem Auftreten und mit ihren Worten offen, der andere wiederum, Arwan aus dem Hause al'Asta, schien eher abweisend. Aber soll ich ihm das zum Vorwurf machen? Ich habe auch meine Meinung zu den Kaiserlichen, wobei sie noch verhältnismäßig freundlich ist im Gegensatz zu der Meinung anderer in der Oase. Wir sind eben verschiedene Völker und ich könnte nie ihr Leben leben.
Einen weiteren, kleinen Einblick in ihr Leben hatte ich nun im Kloster erhalten. Da ich früher, als ich noch in meinem Stamm lebte, die Wüste nie verlassen und auch sonst keinen Kontakt zu den Kaiserlichen gepflegt hatte, war mir bis vor kurzem nur wenig über dieses Reich und nichts über ihren Glauben bekannt. Nun kenne ich zumindest wohl schon die Grundzüge ihres Glaubens. Einfach war das Gespräch bisweilen nicht, führte es doch vor allem Arwan aus dem Hause al'Asta, der sich wiederum schon mal herablassend zeigte. Doch ich denke, bis auf einen kleinen Fast-Fehltritt, habe ich mich gemäß dem Gebot meines Volkes - nämlich die Gastfreundschaft nie mit Füßen zu treten - gut verhalten. So etwas verhindert allerdings auch die Möglichkeit, provokantere Fragen zu stellen. Andererseits wurde ich auch schon gewarnt. Solche Fragen könnten auch Probleme provozieren und wer weiß, zu was ein Mann wie er vielleicht am Ende fähig wäre?
Mit Ajax Calent verblieb ich so, dass wir auf jeden Fall wieder miteinander sprechen werden, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Da auch Kadir schon mit ihr sprach und sie sich seiner erinnerte, werde ich ihn dazu mitnehmen. Vielleicht wäre es ja sogar möglich, einen neutralen Ort zu finden, wo es möglich ist, auch durchaus deutlichere Worte zu sprechen und sich nicht nur in bescheidener Höflichkeit zu üben.

Wo ich an Kadir denke, so fällt mir ein, dass ich ihn fragen werde, ob er bereit wäre, mir das Schreiben und Lesen beizubringen. Bisher ist es mir nur möglich, mit einfachen Lettern meinen Namen zu schreiben, doch mehr lernte ich nie. Im Stamm der Windkinder war dies auch nie nötig, denn Großmutter und meine Schwester als ihre Nachfolgerin konnten lesen und schreiben - das reichte und da ich nie als Schamanin vorgesehen war, erlernte ich es nicht.
Doch nun merke ich, wie nötig ich das hätte. Im Kloster bot man mir an, in ihren Büchern zu lesen und sie hatten dort etliche gefüllte Regale. Auch hier in der Oase sind viele in der Lage zu lesen und zu schreiben und kommunizieren auf diese Weise. Ich bin daher froh, dass mir Musad in der Hinsicht hilft, doch fraglich, ob das einer angehenden Geisterbeschwörerin würdig ist.

Mit Kadir al Scharaf und Tamir aus dem Geschlecht der Masaad sprach ich auch noch über meinen Besuch im Kloster und es entwickelte sich eine interessante und fruchtbare Diskussion über das Thema, welchem ich nachzuforschen versuche - das Böse, woraus es entstehen möge, ob es das gibt oder nicht und warum manche an so etwas glauben, andere nicht und wozu man einen Glauben an das Böse eigentlich benötigt. Ich freue mich schon darauf, mit den beiden auch weiterhin über solche Themen sprechen zu können. Sie sind beide in der Lage, respektvoll mit ihrem Diskussionspartner umzugehen und sorgen für neue Gedanken, Ideen und Überlegungen.

Aber das war nicht das Einzige, was mich an diesem Tag beflügelte. Oft wandere ich umher, gerade durch die Wüste, denn das ist meine alte Heimat, die mich immer wieder lockt, so gefährlich sie doch ist. Manches Mal hatte mich schon irgendein obskures Wesen verfolgt. Sei es eine gewaltige Riesenspinne, ein Skorpion oder irgendwas, was längst nicht mehr lebt und sein einstiges Leben wohl im heißen Wüstensand ausgehaucht hatte.
Ich fragte mich, ob es möglich wäre, mit der Hilfe der Geister eine Möglichkeit des Reisens zu finden, wobei ich aber weiterhin in der Wüste selbst bleibe und meine Umgebung erkennen kann. Eine Art Reitwesen eben. Ich spinnte vor mich her in einer ruhigen Abendstunde am oberen See, als ich mal wieder den Nachthimmel mit seinen schimmernden Sternen betrachtete - ein Reittier, was mit dem Boden der Wüste, also dem Sand zurecht kommen kann. Ein Wesen, was genügsam wäre, was aber auch im Notfall einen Angriff eines Skorpions überstehen würde, also ein Wesen, dessen Haut sehr hart wäre. Wie bei einem Käfer vielleicht. Ich dachte an einen besonderen Käfer, der hier im Reich der Mittagssonne eine besondere Bedeutung bei vielen Wüstenstämmen hat - der Skarabäus. Man sagt ihm nach, dass es weder Männchen noch Weibchen gäbe bei dieser Käferart und er seine Jungen aus einem Erdklumpen, den er rollt, formt und zur Welt bringt. Viele verehren ihn als Zeichen der Schöpfung, der Schaffenskraft, des Fleißes, aber auch als ein Wesen, welches praktisch einzigartig ist aufgrund seiner Geschlechtslosigkeit. Einige tragen sogar Skarabäen aus Halbedelsteinen geschliffen als Glücksbringer an Ketten oder in ihren Taschen mit sich.
Auch erinnerte ich mich an den Erzählungen von Großmutter, dass es Tiergeister gab, die gewaltig werden konnten, wenn sie sich tatsächlich manifestieren sollten. So hatte sie auch eine Geschichte von einer Oase erzählt, in der ein Wolfsrudel gelebt hatte und eine Wölfin - groß wie ein Kamel, wenn sie fürs menschliche Auge sichtbar wurde - hatte das Rudel und damit auch die Oase geführt und geschützt.
Ob es auch möglich war, im Wüstensand einen Skarabäus zu finden, der groß genug wäre, um auf ihm reiten zu können?

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Dass es nicht so einfach werden würde, das konnte ich mir natürlich von selber ausrechnen. Es würde wohl nicht reichen, sich einfacher, schwacher Energien zu bemächtigen und damit den Skarabäus zu rufen. Es musste "mehr" sein und mir kam eine Idee, bei der es sicher das Beste war, im Vorfeld niemandem etwas davon zu erzählen und es möglichst etwas außerhalb in der Oase durchzuführen. Von Milou holte ich mir ein paar Flaschen und begann dann an der oberen Quelle eine Mischung aus verschiedenen Energien anzufertigen, wobei ich auch meinen Willen sprechen ließ, um sie zu verbinden. Schon bald befand sich etwas in der Flasche, was nicht mehr dem fließendem Nebel in den anderen Phiolen glich, sondern mehr wie ein chaotischer Wirbelsturm. Ein Mischmasch, mit dem man unzweifelhaft vorsichtig umgehen musste.
Damit, wenn auch schon etwas müde von der Arbeit an dieser neuen Essenz, ging ich hinaus in die Wüste. Sollte etwas schiefgehen und ein wildgewordener Riesenkäfer würde aggressiv auf alles losgehen, was sich auf zwei Beinen aufrechtgehend fortbewegte, war wenigstens die Blume des Südens sicher.
In der Wüste suchte ich die Spur eines Skarabäus und fand sie schon bald. Sogleich ging ich auf die Knie hinab, atmete tief und ruhiger werdend durch, sammelte mich innerlich, ehe ich meine Hände senkte und in dem Wüstensand vergrub. Konzentriert starrte ich auf die Spur des Käfers und raunte alte Wort auf rituelle Art und Weise, dabei ständig wiederholend, mich reinsteigernd und mich damit innerlich ein wenig in Richtung Ekstase treibend. Lockend waren die Worte, die ich sprach, zwischendurch die Flasche mit der chaotischen Essenz öffnend und sie als Lockmittel entlassend und dann fühlte ich etwas - eine Präsenz, die sich auf einer anderen Ebene mir näherte, mich beobachtete, ehe ich ein leichtes Erbeben fühlte, wobei ich kaum sagen konnte, ob es der Boden war oder 'irgendwas' anderes. Kurzzeitig kam das Gefühl auf, ich wäre eine Spinne, die auf ihrem Netz hockt und fühlt, wie etwas einen der Fäden berührt hätte.
Doch dann war es auch der Sand, der leicht vibrierte, sich teilte und aus diesem hervor erhob er sich - ein Skarabäus! Nicht so hoch wie ein Kamel oder Pferd, aber groß und stark genug, um einen ausgewachsenen Menschen tragen zu können. Pechschwarz und glänzend sein Panzer, der stark genug aussah, um auch dem Stich eines Skorpions widerstehen zu können. Lange, starke Beine, welche rasch einen Verfolger abschütteln können trugen seinen Leib und ich spürte, wie das Tier mich ansah, als ich mich aus dem Sand geschwächt erhob. Jetzt nur keine Schwäche zeigen, dachte ich mir im Stillen, sammelte mich, ging auf den gewaltigen Tiergeist zu und vorsichtig legte ich meine Hand an die Stelle seines Hauptes, die man wohl als Stirn bezeichnen könnte. Leise Worte sprach zu ihm und bat ihn, mich zu tragen. Dann neigte er sich etwas hinab und sogleich rutschte ich auf seinen Rücken, um den wohl ungewöhnlichsten Ritt durch die Edelsteinwüste zu wagen.

Zurück in der Oase war ich müde und doch euphorisch. Wieder hatte ich einen Schritt getan, der mich vorangebracht hatte. Im Stillen dachte ich an Großmutter, als ich meinen Ruheplatz aufsuchte, die Augen schloß, um mich in die Vergangenheit zu träumen.

Gegenwart - Vom Kopfschmerz zur Freundschaft

Als ich an diesem Morgen früh erwachte, spürte ich, dass mein Kopf nicht mehr schmerzte und sich wieder angenehm klar anfühlte. Auch die Verletzung war abgeklungen und so erhob ich mich erholt und rollte die dünne Matratze samt Decke und kleinem Kissen zusammen, um alles zusammen unter der Palme am oberen See abzulegen, der Platz eben, wo ich häufig schlafe oder einfach nur etwas ruhe, wenn sich die Hitze des Tages über das Land senkt.

Während ich mit einer Schüssel etwas Wasser schöpfte und mich wusch, dabei bedacht, nicht allzu viel vom kostbaren Nass zu verschwenden, aber auch nicht zu wenig zu nutzen, damit ich sauber werden konnte, dachte ich an die Gespräche mit Armin zurück. Es war angenehm, sich mit ihm zu unterhalten und ihn etwas kennenzulernen. Nun ja, noch weiß ich nicht allzu viel von ihm. Meist schaffte er es irgendwie, dass ich mehr über mich erzählte. Nachdem er mich verletzt in die Oase zurückgebracht und versorgt hatte, bot ich ihm daher auch das "Du" an. Es ehrte mich zwar, dass er mich aus Gründen des Respekts mit "Ihr" ansprach, doch ich bezweifle, dass ich an Respekt verlieren würde, wenn wir uns duzen. Davon ab hängt Respekt nicht von einem kleinen Wort ab und letztendlich stehe ich eh noch so weit am Anfang, dass ich das mit dem Respekt eher zwiespältig sehe.

Ich schätze Armin mehr und mehr, genauso wie Kadir, den ich ebenso schon duze. Wo Kadir mich jedoch gerne etwas aufzieht und mit mir scherzt, da ist es vor allem Armins Art, die ich mag. Die meiste Zeit sehe ich ihn lächeln und auch weiterhin kommt er mir wie der Sonnenschein der Oase vor. Man hat das Gefühl, gleich was kommt - man wird am Ende auch weiterhin lächeln können, weil es immer etwas Schönes im Leben geben kann. So etwas sollte ich nie vergessen.
Wo Kadir mir nun wie ein großer Bruder vorkommt, erscheint mir Armin wie der kleine Bruder, wobei ich mir da nicht so ganz sicher bin. Armin ist jünger als ich, ja, aber andererseits macht er auch einen durchaus vernünftigen Eindruck und als ich ihn kämpfen sah, kam er mir weniger wie das kleine Brüderchen vor, welches man beschützen muss. Gut, ich versuchte es mit meinem Willen und der Hilfe der Geister, doch er war schnell wie der Wind und wusste seinen Säbel effektiv zu gebrauchen und am Ende war er es, der mich verletzt durch die Wüste geschleppt hatte. Ich wünsche ihm, dass Jaafar bereit ist, ihn zu lehren, so dass Armin tatsächlich zu einem respektablen Beschützer der Oase heranreift.

Doch habe ich, was seinen Weg angeht, auch nicht unbedingt Zweifel. Er kommt ebenso aus einem Stamm der Wüste und ich denke, das merkt man ihm auch an. In der Wüste, wo so viele Gefahren lauern, scheint man früher erwachsen werden zu müssen, als in der sesshaften Sicherheit einer friedlichen Oase, wie der Blume des Südens, wo man bisweilen das Gefühl hat, hier gäbe es fast alles im Überfluss.
Nun soll ich ihn im Hinblick auf die Geister und Ahnen lehren, doch stehe ich selber noch weit am Anfang. Ich hoffe aber dennoch, dass ich es vermag, auf dass er seinen Weg weiter gehen kann.
Und abseits davon mag ich das angenehme Gefühl, Freunde gefunden zu haben. Armin sprach davon, dass es später sicher sehr wichtig sein kann, Freunde zu haben, wenn man Pfade beschreitet, die einen bisweilen vom übrigen Volk etwas abzugrenzen drohen. Manchmal macht mir dieser Gedanke etwas Angst, manchmal aber regt er auch meine Neugierde und Faszination an.

Wie auch immer. Ich denke manchmal zu oft an die Zukunft, doch sollte ich meine Gedanken wohl besser auf die Gegenwart lenken, die Vergangenheit nicht aus den Augen lassend.
Ich kippte das Wasser der Schüssel an den Stamm der Palme und machte mich dann auf den Weg, um zum Zentrum der Oase zu schlendern.

Gegenwart - Ein Traum vom Weltenwanderer

Ein in der Abendsonne glitzernder Fluss, der träge dahinzieht. Auf ihm sehe ich verschiedene Boote, welche nur in eine Richtung reisen - auf die untergehende Sonne zu. Auf jedem Boot sehe ich einen Menschen und ein Tier.
Was sind wir, höre ich Aktari wieder fragen.
Irgendwo in der Ferne, kaum noch wahrnehmbar, glaube ich meine Stimme zu hören, wie ich wieder eine viel zu lange Antwort gebe, die doch letztlich nicht das trifft, was er mir sagen wird.
Mein Blick schweift zu einem Vogel, welcher auf langen Beinen durch das seichte Wasser am Ufer stakst, nach Fischen wohl sucht, dann den Kopf hebt und zu mir blickt.
Wir sind Wanderer zwischen den Welten.
Unter diesen Worten spreizt der Vogel seine Flügel und erhebt sich nach kurzem Anlauf in die Luft, überfliegt den Fluss, gegen die Richtung der Boote, dann dreht er und bewegt sich mit ihnen zur untergehenden Sonne - vollkommen frei und bewusst darüber, dass er jederzeit die Richtung drehen könnte, gleich ob in der Luft oder auf der Erde.

Asra Ibis.jpg

Nur schwer fand ich wieder zurück und rieb mir müde meine Augen, während die Räucherung langsam nachließ. Allein ihre Wirkung blieb noch haften und machte es mir schwer, in einen bewussteren Zustand für die Realität zu finden. Schwer fühlte sich mein ganzer Körper an und ich hatte das Bedürfnis weiter zu träumen. Aber es war genug. Ich glaubte eh eine Antwort auf eine Frage gefunden zu haben, die ich mir heute Morgen noch gestellt hatte. Ich hatte nach einem Wanderer zwischen den Welten gesucht, aber nicht nach einem Menschen. Scheinbar hatte ich ihn gefunden, wenn ich es richtig interpretiert habe. Dabei gibt es traditionell viele. Ein Vogel kann es sein, denn er überwindet die Schranken des Irdischen, aber auch ein Insekt mit Flügel, da es für diese Tiere genauso gilt. Über die Fliegen sagt man sogar, sie würden die Seelen der frisch Verstorbenen in die Totenwelt geleiten, damit sich diese nicht verirren und rastlos in der Welt der Lebenden bleiben.

Ich schaffte es immerhin mich gerade aufzusetzen und trank durstig einige Schluck Wasser aus einem Krug. Der Nachmittag war so gut wie vorüber, was hieß, dass ich verhältnismäßig lange geträumt hatte. So war mir nun auch klar, dass ich die Menge gewisser Ingredienzen meiner Räuchermischung etwas mildern sollte, würde ich diese beim nächsten Mal anwenden. Das nächste Mal stand schon fest, doch dann würde ich es nicht sein, die träumen würde.

Kürzlich traf ich am oberen See Aktari. Ein Treffen, was mir viele Antworten gab. Sowohl auf die Fragen, die mir bisher auf meinem Herzen gelegen hatten, aber auch Antworten was meinen Weg angeht. Faszinierend war es, was er mir über die unterschiedlichen Welten erzählt hatte und was das für Menschen wie mich bedeutete. Damit hatte ich auch eine weitere Antwort darauf gefunden, was ich Armin in Kürze lehren würde und nun, mit meinem Traum, fand ich eine weitere, vermutlich die erste Lektion für ihn. Im Sand hatte ich sogar eine kleine Zeichnung gemalt - eine Idee, wie ich ihm auf seinen Pfad zum Säbeltanzer helfen könnte. Ich bedauerte es wieder, nicht schreiben zu können, aber das würde sich hoffentlich bald ändern und ich würde so etwas auf Papier verewigen können.