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Aus der Dunkelheit ins Licht RSS feed
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Navarion Aschenfeld


Joined: Dec 4, 2023
Messages: 5
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"Es ist schon eine Weile her, seit ich zuletzt einen Eintrag in meinem Tagebuch verfasst habe", denke ich bei mir während mein Blick über die letzten Zeilen des kleinen Buches schweift. Ich schnaufe leise, meine Augenlider senken sich, ehe ich meinen Mut zusammen nahm, und das Tagebuch zuklappte um es den Flammen zu übergeben. Gierig labte sich das Feuer im Kamin an den Seiten die sich nacheinander der alles versengenden Hitze hingaben.

"Möge das Licht die Dunkelheit vertreiben, und das reinigende Feuer den Schmerz und das Leid aus meiner Seele brennen, und mich mit seiner wohligen Wärme umfangen.", kam es mir leise über die Lippen ehe ich mich aus der Hocke wieder aufrichtete und mich erneut an den kleinen Tisch setzte, auf dem bereits ein bislang ungenutztes kleines Büchlein sowie ein Federkiel und Tintenfässchen bereitgelegt war.

Ein Neuanfang...



Die Zeit verging beinahe wie im Fluge, und doch sind die Vergangenen Ereignisse in meinen Gedanken noch so präsent als wären es gestern gewesen.
Nur der Schmerz meiner Trauer hat über die Zeit abgenommen.
Ich danke dir Avia, dafür dass du mir ein Anker in meiner dunkelsten Zeit gewesen bist, meinem erkalteten Herzen wieder Wärme und Hoffnung schenktest, die ich längst aufgegeben und für immer verloren geglaubt hatte.

Ich sehe die Bilder noch immer vor meinem inneren Auge...

Jelina...mein angetrautes Weib, mit deinem kupferfarbenem Haar, welches du immer zu einem lose geflochtenem Zopf gebunden trugst. Dein Lächeln war umwerfend und zog mich vom ersten Augenblick, als ich dich das erste Mal sah in deinen Bann. Deine Herzensgüte und liebevolle Art...ich werde diese Erinnerungen an dich, für immer tief in meinem Herzen tragen.

Amarisa mein kleiner Sonnenschein. Mit deiner ganzen Erscheinung, deiner fröhlichen Art hast du deine Mutter und mich immerzu angesteckt. Deine Neugier hattes du ganz klar von ihr, und deinen Dickschädel zweifelsohne von mir. Du hast unser Leben bereichert, und warst immer unser Ein und Alles. Das wird sich auch jetzt nicht ändern.

Ihr beide werdet auf ewig die wichtigsten Menschen in meinem Leben bleiben. Wie lange es auch dauern mag, ich freue mich auf den Tag an dem wir uns an der Seite Avias wiedersehen werden. Bis dahin werde ich stark sein...


Der Tag an dem ich euch verloren habe, war der dunkelste in meinem Leben. Ich dachte ich falle in ein endlos tiefes schwarzes Loch. Jedwedes Licht und jedwede Freude erloschen, dass nur noch Dunkelheit und Trauer blieb. Keine Nacht konnte ich mehr schlafen, wurde von den Alpträumen geplagt diesen einen Augenblick wieder und wieder zu durchleben.
Krampfhaft hielt ich mich wach, versuchte immer wieder dem Drang der Müdigkeit zu widerstehen. Nicht weil es im wachen Zustand erträglicher gewesen wäre, doch diese Träume rissen mir mit jedem Mal erneut das Herz aus der Brust, und ich spürte mit jedem Mal einen kleinen Teil von mir selbst sterben.
Im Dorf mied man mich zunehmend, und ich konnte es ihnen wohl auch kaum verübeln bei dem Anblick den ich bot. Tief dunkle Augenränder, das Gesicht eingefallen, der Körper zunehmend schwächer werdend. Ich hatte das Gefühl mich selbst zunehmend aus dieser Welt schwinden zu sehen...

Mit der letzten mir verbliebenen Kraft, schleppte ich mich eines Tages in die kleine Kapelle des Dorfes. Eigentlich mit der Absicht meinen letzten Atemzug im Schoße Avias zu tun. Ich stützte mich an den Bänken und hangelte mich an ihnen entlang nach vorn, meinen trüben Blick nach vorn auf den kleinen steinernen Sockel gerichtet, auf dem die Statue Avias stand. Erhaben und zugleich auf eine Art mitfühlend blickte sie von ihrer erhöhten Position herab. Ganz gleich wo man Platz nahm, hatte man immer das Gefühl sie würde einen direkt ansehen.
Ich konnte meinen Blick nicht abwenden, war zu schwach mich dem Bann ihres Blickes zu entziehen, und doch - auf eine mir unerklärliche Art - wollte ich es auch gar nicht.
Kraftlos sank ich auf der vordersten Bank zusammen, die Schultern hingen schlaff herab, doch der Blick ruhte weiterhin auf ihr. Ich hatte das Gefühl, als Blicke sie mir durch meine Augen direkt in mein Herz, und erkannte meinen Schmerz.
In diesem Moment kippte mein Körper zur Seite.


Dunkelheit umfing mich...

Ein dröhnendes Geräusch erfüllte meinen Kopf, und ich presste mir die Hände auf die Ohren, doch ohne Erfolg. Es wurde immer lauter, bis ich auf die Knie ging. Dieses durchdringende Dröhnen nahm zunehmend einen vertrauten Klang an.
Ein Beben...Stein...Geröll das aufeinander prallte...
"NEIN! Nicht schon wieder! Bei Avias Licht, bitte lass mich diesen Augenblick nicht erneut durchleben! Ich ertrage es kein weiteres Mal mehr!"
Das Geräusch ebbte langsam ab, und der Druck auf meinem Kopf ließ nach.

Vögel? Grillen?
Der dunkle Schleier verschwand vor meinen Augen, und ich blickte in sonniges Tageslicht. Ich hob die Hand und verdeckte meine Augen, die leicht zu brennen begannen.
Eine Kinderstimme? Lachen...Gesang...eine zweite Stimme?
Ich drehte den Kopf leicht, und versuchte trotz des grellen Sonnenlichts etwas zu erkennen. Es dauerte einen Moment, doch dann sah ich sie...Jelina...Amarisa.

Eine Welle aus Wärme breitete sich in meiner Brust aus und erfüllte nach und nach meinen ganzen Körper. Ich lief auf sie zu, ich rief ihre Namen, doch sie reagieren nicht. Hatten sie mich nicht gerhört? Als ich schließlich vor ihnen stand, sank ich mit Tränen in den Augen auf die Knie. Ich war überwältigt vor Glück ... dann glitten meine Arme durch sie hindurch. Sie saßen da, direkt vor mir...lachten und sagen zusammen, nahmen mich jedoch nicht wahr. Dann mit einem Mal begannen ihre Gestalten zu wabern...ihr mir so vertrauter Anblick wich zwei von reinem Licht erfüllte Silhouetten, die sich langsam entfernten und gen Himmel aufstiegen. Kurz bevor sie sich meinem Blick entzogen hallten Stimmen in meinem Kopf wieder... "Trauere nicht um uns, denn wir sind immer bei dir...und wir werden an Ihrer Seite auf dich warten...".

Mir wurde wieder schwarz vor Augen...
Dann spürte ich wie ein Ruck durch meinen Körper ging, und mit einem Mal auch das erkaltete Herz in meiner Brust wieder schlagen, in dem sich eine sanfte Wärme ausbreitete.


Der zuvor reglose Körper erwachte aus seiner Ohnmacht. Der Oberkörper richtete sich mit einem tiefen ruckartigen Atemzug auf, der seine Lungen bis ins letzte Eck mit Luft füllte. Schweißperlen standen auf der Stirn, und wenngleich die Gestalt mehr Tod als Lebendig wirkt, so strahlt doch zumindest sein Blick neu gewonnenen Lebenswillen aus.



Erschöpft, doch am Leben krallte sich meine ausgemergelte Hand an der Bank fest, hielt mich aufrecht sitzend. Mein Blick richtete sich wieder zu der Statue Avias, die mich immer noch unbeirrt ansah. Ich legte die Hand auf meine Brust, spürte mein Herz darin pochen. Langsam, und doch stetig.
Ich blieb noch eine Zeit, um das geschehene zu verarbeiten, und etwas Kraft zu sammeln ehe ich mich aufraffen und die Kapelle wieer verlassen konnte.
Es schien als wäre meine Zeit noch nicht gekommen, auch wenn mir das Ende sehr willkommen war. Ich spürte eine neue Wärme in mir, eine Art...Aufbruchstimmung die mich antrieb weiter zu machen, nicht nachzulassen.
Fortan besuchte ich die Kapelle jeden Tag...und auch meine Alpträume gehörten der Vergangenheit an.
Wenn ich von meinen Liebsten träumte, dann waren es lediglich die schönen Erinnerungen an sie, die ich tief in meinem Herzen trage.

Avia hatte mir eine zweite Chance gegeben. Sie hat mir gezeigt, dass NICHTS es wert ist, sein Leben einfach fortzuwerfen, so groß der Schmerz auch sein mag. Sie ist da, fängt dich auf, schenkt dir ihr Licht und zeigt dir einen Weg...wo du zuvor nur Finsternis sahst.
Diesem bin ich gewillt zu folgen...dankbar und demütig...unter Avias leitender Hand.


Die Reise führte mich mit dem Schiff von Bärenau in die Stadt des Glanzes, von wo aus ich mit dem Pferdekarren weiter zog bis vor die Tore des Klosters zum inneren Frieden...meinem Ziel.
Navarion Aschenfeld


Joined: Dec 4, 2023
Messages: 5
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Seit meiner Ankunft sind nun ein paar Tage vergangen...

Ich muss sagen ich hatte nicht mir einem so herzlichen und freundlichem Empfang gerechnet.
Hört man doch sonst eher davon, dass die Brüder und Schwestern in den Klöstern eher in sich gekehrt und in einem gewissen Maße distanziert wirken, kann ich nun aus eigener Erfahrung sagen, dass diese Annahme nicht - oder zumindest nicht ganz - den Tatsachen entspricht.

Gewiss gibt es Zeiten in denen die Meinen - wie ich sie nun ja nennen kann - die Ruhe und Stille für ihre Gebete vorziehen, oder ihren Aufgaben mit strikter Sorgfalt in beinahe schon militärischer Manier nachkamen, und sich in dieser Zeit wenig bis gar nicht von äußerlichen Dingen ablenken ließen.
Doch gibt es durchaus auch Zeiten in denen man sich geselliger zeigt. Beispielsweise zwischen den vorgegebenen Zeiten für die Gebete und den täglich anfallenden Arbeiten, die - so muss ich ehrlich zugeben - viel umfangreicher sind, als ich es vermutet hätte.
Bei Tisch verzichten jedoch die meisten von uns auf ausgedehnte Gespräche, und man redet nur über das Nötigste und dies auch nur so leise, dass sich niemand außer man selbst und der Sitznachbar gestört fühlt.

Die Schlafräume waren gemeinschaftlich, und so wies man mir eines der zahlreich vorhandenen Betten zu.
Neben jedem stand ein kleiner Nachttisch mit Schublade, auf dem eine Waschschüssel und eine Kerze stand. In den Ecken des Raumes befanden sich kleine Kohlebecken die für Wärme sorgten. Die beiden Fenster waren recht schmal, spendeten aber am Tage aber genügend Licht, während am Abend die Kerzen und Kohlebecken mit ihrem Schein die Kammer erhellten. Zudem befand sich noch ein kleiner Tisch im Raum, sowie der davor stehende Hocker der schon bessere Zeiten gesehen hatte, aber dennoch standhaft seinen Zweck erfüllte.
An der Wand über jedem Bett hing außerdem ein hölzernes Kreuz.

Das Leben in Kloster ist klar strukturiert und geregelt. Auch wenn man es Anfangs vielleicht nicht glaubt, findet man sich darin recht schnell ein.

Mein Tag beginnt mit dem gemeinschaftlichen Morgengebet in der klostereigenen Kirche, ehe wir uns geschlossen im Refektorium einfinden um gemeinsam zu speisen. Von hier an geht jeder seinem individuellen Tagwerk nach, so nicht gerade Unterrichte stattfinden die zu besuchen sind. Zur Mittagszeit findet man sich erneut zum Gebet in der Kirche ein, ehe sich zum Mittagessen wieder gemeinschaftlich im Refektorium eingefunden wird, ehe es eine Ruhepause gibt nach der es schließlich wieder an die Arbeit geht.

Und wo wir gerade dabei sind...es ist für mich wieder an der Zeit. Im Augenblick ernte ich die Früchte der Arbeit in den Klostergärten.
Karotten, Salat, Kartoffeln...
Navarion Aschenfeld


Joined: Dec 4, 2023
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Nach einigen Tagen der Arbeit in den Gärten, spüre ich das Protestieren meines Kreuzes bei fast jeder Bewegung.
Ob es den Anderen wohl ebenso ergeht? Vermutlich, doch weder hört man jemanden jammern, noch schmerzlich das Gesicht verziehen. Ein Jeder ging stillschweigend seinen Aufgaben nach. Auch ich hielt es so, schließlich diente diese Arbeit einem höheren Zweck.

Mittlerweile hatte meine Kleidung die ich schon während meiner Reise hier ins Kloster trug deutlich unter der täglichen Arbeit gelitten. Der Saum war aufgerieben, hier und dort hatte meine einfache Robe bereits Löcher die von einer Schwester mehrfach geflickt wurden.
Ich komme mir zunehmend...schmutzig...vor, wann immer ich die Kirche zu den täglichen Gebeten aufsuchte, selbst wenn ich mich zuvor wie übliche gewaschen hatte. Ich versuche zumindest, mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen.

Nachdem ich an diesem Tag jedoch erneut bemerkt habe, dass sich die Naht seitlich auf Hüfthöhe gelöst hat, wagte ich den Versuch und trat demütig an die Klosterleitung heran, um mein Unbehagen ob meiner abgetragenen Gewandung in welcher ich tagtäglich zum Gebet vor Avia trat kund zu tun.
Aus diesem Grund wagte ich, eine vorsichtige Anfrage über die Anforderungen für die Aushändigung der standesgemäßen Robe an sie heran zu tragen, wie sie auch die anderen Schwestern und Brüder im Kloster trugen.
Navarion Aschenfeld


Joined: Dec 4, 2023
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Vor kurzem hatte ich ein angenehmes Gespräch mit ihrer Eminenz Sonnenglanz, in der Stadt des Glanzes. Ich war ein wenig überrascht und doch sehr erfreut, dass sie trotz ihrer wichtigen und zahlreichen Aufgaben, dann und wann die Zeit für Gespräche mit ihren Brüdern und Schwestern des Klosters findet.
Ich habe für mich und meinen weiteren Weg einiges daraus mitgenommen.


Die folgenden Worte ihrer Eminenz sind mir dabei in besonderer Erinnerung geblieben, weswegen ich sie an dieser Stelle gerne zitieren möchte, auch um sie für mich persönlich noch einmal festzuhalten:
Ein Priester ist ein Mensch von Integrität, Treue und Mitgefühl.
Er ist demütig und Weise.
Er muss mutig, rein und losgelöst von Beifall sein.
Er ist selbstlos und freu von jeglichem weltlichen Ehrgeiz.


Ein Leitsatz, den ein jeder der unseren verinnerlichen sollte, oder bereits verinnerlicht hat. Auch ich will alles mir mögliche tun, um diese Grundsätze zu den Meinen zu machen, und danach zu leben und zu handeln. Sicher werde ich immer wieder auf die Probe gestellt werden, durch verschiedenste Situationen die das Leben für mich, oder generell für jedermann bereithält, doch werde ich mir beständig die Worte ihrer Eminenz ins Gedächtnis rufen um mich auf diese zu besinnen.

Wann immer ich Fragen haben würde, so könne ich mich an sie wenden hatte sie gesagt, und ich weiß sicher dass sich mir dieser noch zahlreiche stellen werden. Ein Angebot dass ich sehr gerne annehme, und seit welchem ich beständig ein Stück Papier und die weiteren notwendigen Schreibutensilien bei mir führe um sie sogleich festzuhalten sobald sie mir in den Sinn kommen.

Was mich zu einer weiteren Aufgabe bringt, die ich aus unserem Gespräch mitgenommen habe. Dankbarerweise habe ich auch in der Vergangenheit schon das Lesen und Schreiben gelernt, wenngleich es mir an Übung und der nötigen Routine fehlt. Auch meine Federführung lässt, so wie ich es beurteilen würde hier und da zu wünschen übrig.
Ich komme nicht umhin zu gestehen, dass ich in früheren Tagen wenig den Drang verspürte zu schreiben, auch geschuldet dem Umstand, dass keinerlei Notwendigkeit für mich und meine Arbeit bestand. Etwas das sich nun zweifelsohne geändert hat. Also werde ich nun wohl einiges aufzuarbeiten haben.

Hier wird es mir auch helfen gelegentlich Dinge wie diese von denen ich gerade schreibe auf dem Papier festzuhalten, zur Übung und einfach für mich.
Außerdem habe ich mir vorgenommen häufiger die Klosterbibliothek aufzusuchen. Sie haben viele Bücher, und mit Sicherheit wird es den ein oder anderen interessanten Band unter vielen geben, dem ich mich in einem Teil meiner freien Zeit widmen kann. Zum Lesen, oder um zur Verbesserung meines Schriftbildes die ein oder andere Abschrift anzufertigen.

Für heute...reicht es jedoch erst einmal...
Navarion Aschenfeld


Joined: Dec 4, 2023
Messages: 5
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Am gestrigen Tag begleitete ich Schwester Fenerial und Bruder Marten in die Stadt des Glanzes.
Sie wollten das Heilerhaus aufsuchen und einige Kräuter verschiedenster Art aus den Klostergärten überbringen. Diese sollten, so habe ich mir sagen lassen unter anderem den Heilungsverlauf unterstützen, sowie Schmerzen lindern, so man sie auf die richtige Art und Weise aufbereitet und in den korrekten Dosen mit einigen anderen Dingen vermengt.

Ich hiel es für gut und richtig mich den beiden anzuschließen, um auf diesem Wege neue Kontakte zu knüpfen und mich mit den Menschen in meiner neuen Umgebung vertraut zu machen. Ihren Sorgen und Ängsten zu lauschen, ebenso von ihren erfreulichen Erlebnissen zu hören wird mir helfen die Bewohner besser zu verstehen, und auf sie eingehen zu können. Empathie ist ein hohes und wichtiges Gut. Gerade für uns.

Wir stiegen nach der zähen Reise durch die Wollgrasebenen aus der Kutsche, und drückten dem Kutscher ein kleines Säckchen mit Münzen in die Hand, was er mit einem breiten Grinsen und einem: "Ha ja, für de Kirch' imma jerne wieda!", entgegen nahm.
"Avias Segen guter Mann, und eine sichere Weiterreise.", entgegnete ich, ehe wir drei uns der Stadt zuwandten.

Das Treiben auf den Straßen war ein wenig reger als ich es sonst bisher erlebt hatte. Kinder rannen über den Platz, versuchten sich zu fangen oder ein geeignetes Versteck zu finden. Schwester Fenerial wäre beinahe gestürzt, als einer der kleinen Wirbelwinde ihr ohne nach vorn zu sehen in die Beine rannte. Bruder Marten wollte schon zu tadelnden Worten gegenüber dem Knaben ansetzen, doch ein knabber Wink seiner Schwester hielt ihn davon ab. "Seid nachsichtig Bruder. Es sind Kinder die nur spielen wollen. Da kann so etwas schon einmal passieren. Ihr ward früher sicher ganz genau so, hm?", sprach sie mit ihrer hellen Stimme, in der ein heiterer neckischer Unterton mitschwang, während sie dem Jungen kurz mit der freien Hand über das etwas strubbelige braune Haar fuhr. "Schau, dort drüben zwischen den Kisten werden sie dich sicher nur schwer finden.", flüsterte sie ihm noch etwas leiser zu und der Bursche grinst breit auf, ehe er nach einem kurzen "Danke!" auch schon davon stürmte.

Beim Anblick der Kinder kam mir unweigerlich Amarisa in den Sinn. Auch sie war immer eine Frohnatur gewesen, ein regelrechtes Energiebündel, dass auch liebend gern Verstecken und Fangen spielte. Als mich meine Gedanken wieder frei gaben merkte ich, dass ich ein Lächeln auf den Lippen trug. Wenngleich die Erinnerungen immer noch schmerzvoll sind, habe ich meinen Frieden damit gefunden, dass dies nicht das Ende ist, und ich sie einges Tages an Avias Seite wiedersehen würde.

Wir setzten den Weg fort zum Heilerhaus. Die Türe kaum geöffnet drangen schon die ersten schmerzlichen und gequälten Ausrufe an unsere Ohren.
Einmal von jenem der sie körperlicher Natur ertragen musste, nachdem er beim Angeln auf einem glitschigen Stein am Ufer wegrutschte und dabei so unglücklich stürzte dass er sich - danach sah es zumindest aus - den Knochen seines Schienbeines brach.
Hinzu gesellten sich das klagevolle Jammern seiner Frau, die mit vor das Gesicht geschlagenen Händen da stand und schluchzte.

Der Heiler blickte erst die Dame, und dann uns hilfesuchend an. Ohne Worte war uns klar was er sich erhoffte, und so machte ich einen Schritt auf die Frau zu. "Kommt...lassen wir den Mann seine Arbeit verrichten. Ich versichere Euch eurem Mann wird es schon bald wieder besser gehen."
Die feuchten Augen blickten mich zwischen ihren Fingern vor dem Gesicht an, dann nahm sie langsam ihre Hände runter und nickt mir zögerlich zu.
"J-ja. Aber...aber wird er...wieder gehen können?", kam es ihr wimmernd über die Lippen, und ich legte ihr vorsichtig die Hand in ihr Kreuz um sie mit sanftem Druck dazu zu bewegen mit mir in den Vorraum zu gehen, während mein Bruder und meine Schwester uns folgten.

Während wir den Raum verließen, tat der Heiler alles ihm mögliche dafür den Bruch zu richten und eine stabile Schiene anzulegen, in deren Lücken er flauschige Baumwolle füllte, ehe er das ganze fachmännisch mit einigen Leinenbandagen fest umwickelte.

Wir versuchten die aufgelöste junge Frau durch eine Unterhaltung ein wenig abzulenken, und sie so ein wenig zur Ruhe kommen zu lassen.
Nach wenigen Minuten schien sie sich wieder gefangen zu haben, und ihre anfänglichen Tränen der Sorge getrocknet. Letztlich bat sie uns darum ein kurzes Bittgebet für ihren Mann, an Avia zu sprechen. Natürlich willigten wir ein, und meine Schwester und mein Bruder überließen dies überraschenderweise mir.
Zuerst war ich etwas überrumpelt, hatte ich damit doch nicht gerechnet, dann jedoch nickte ich ihnen dankbar zu dass sie mir diese Aufgabe überließen, obwohl sie eigentlich ihnen - als den älteren Angehörigen des Klosters - zugestanden hätte.

Ich wandte mich dem Raum zu in welchem der Verletzte auf dem Behandlungstisch lag, neigte in Demut mein Haupt, wobei ich meine Hände in Brusthöhe vor mir faltete und gedämpft, doch für alle nahestehenden deutlich vernehmbar sprach:
"Avia...Herrin des Lebens, schenke dieser armen, vom Unglück gezeichneten Seele deine Gnade.
Verschaffe seinen Schmerzen Linderung und lege deine Hände schützend über ihn, auf dass die Heilung seiner Verletzung schnell und ohne Komplikationen verlaufe.
"

Ich hielt für eine kurze Pause inne, ehe ich meine Stimme erneut erhob...

"Avia...Wächterin der Schöpfung, schenke dieser Frau dein Licht der Hoffnung, auf dass sie die Sorge aus ihren Gedanken vertreibt, und Platz für Zuversicht schafft."

Das letzte Wort leise ausklingen lassend, schloss ich mein Bittgebet an die Herrin ab. Ich zeichnete mit meiner rechten Hand das Zeichen des Kreuzes vor mir in die Luft, dann hob ich meinen Kopf wieder an. Als ich mich den anderen wieder zuwandte, begegnet mir schon das dankbare Lächeln der jungen Frau und ich nickte ihr wohlwollend entgegen.

Kurz darauf, spazierten die beiden auch schon wieder aus der Tür des Heilerhauses. Sie mit neuerlich gewonnener Zuversicht, und er noch ein wenig benommen aber zaghaft lächelnd auf Krücken.

Dankend nahm der Medikus die von uns mitgeführten Bündel an Kräutern und Wurzeln entgegen und lud uns abschließend noch auf eine Tasse Tee ein.
Bald darauf befanden auch wir uns auf dem Rückweg. Die Kutsche bestiegen, ging es wieder in Richtung Kloster.

Nach einem abschließenden gemeinschaftlichen Abendgebt, verabschiedete ich mich von Schwester Fenerial und Bruder Marten, und zog mich in den Schlafraum zurück um den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen, der für mich in gleichem Maße aufschluss- und lehrreich war.
 
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