Hirschclan
Auf eine gute Jagd zu hoffen, war so hoch im Norden besonders wichtig. Das Leben hier, hatte etwas Karges und Genügsames an sich und forderten den Menschen viel ab.
Heute allerdings nicht, die Tische bogen sich unter der Last von Brot, Fleisch und Äpfeln.
Die Feuerstelle in der Mitte ging schon seit dem Mittag nicht mehr aus und der große Holzstapel daneben deutete darauf hin, dass es noch eine Weile so weitergehen würde.
Der Lautstärkepegel stieg stetig mit dem abnehmenden Licht an. Rauchschwaden zogen unter die mit Holzbohlen gestützte Decke, so dass die Umrisse der darin sitzenden Menschen langsam nur noch schwer zu erkennen war.
Lieder von ruhmreichen Schlachten, welche eher in Gegröle übergingen, würden den draußen Vorübergehenden sagen dass hier ein heftiges Trinkgelage stattfand.
Die Ernte war dieses Jahr besonders gut gewesen, Äpfel und Korn in Hülle und Fülle. Selbst die Bienen machten von ihrem emsigen Wesen reden und ihre Waben ergaben einen vorzüglichen Met.
Hieß es nicht, dass dann auch eine gute Jagd bevorstehe ? Endlich keinen Winter, in dem man sich dreimal überlegen musste ob die Reserven wohl reichen und keinen ängstlichen Blick zum Himmel werfen wenn der Schnee kein Ende nimmt.
Viele aus dem Clan meinten es liege an dem nie abnehmenden Vertrauen zu ihrem Totemtier, dem Hirsch. Auch er zeichnete sich durch Genügsamkeit aus und so hatten die Menschen hier auch in der mageren Zeit nicht gejammert. Opfergaben lagen rund um die geschnitzte Figur, die auf einem erhöhten Podest stand, der flackernde Feuerschein schien ihm sogar Leben einzuhauchen.
Aus einem Geweih eines Zwölfenders war das Tier geschnitzt. Nach der Überlieferung sollte noch die Seele des Hirsches darin fortleben und dem Clan fortwährenden Schutz bieten.
Einst, vor langer Zeit zogen Jäger des Wolfsclans aus um für den nahenden Winter zu sorgen. Doch der Winter kam in den höheren Regionen schon sehr früh, als die Gruppe eines Morgens aufwachte lag alles unter einer dicken Schneedecke. Viele bewährte Wege wurden unpassierbar und abgehende Lawinen machten Umwege erforderlich. Ziellos, durch die weiße unberührte und unbekannte Wildnis, auf der Suche nach einem Bergeinschnitt der ihnen den Abstieg ins Tal ermöglichte, irrte die Jagdgruppe umher. Die Sicht getrübt durch Flockenwirbel schien es als ob vor ihnen ein Hirsch aufgetaucht wäre. Er besaß ein Geweih welches in der Gruppe noch nie jemand sah. Trotz ihrer Situation erwachte der Jagdinstinkt und so folgten sie dem seltsamen Tier durch zerklüftete Schluchten, zwischen Felsblöcken hindurch ohne diesen jemals wirklich näher zu kommen. Dass dieses wirklich existierte zeigten die Spuren im frisch gefallenen Schnee. Behände, nicht müde werdend und flink bewegte sich der Hirsch zielstrebig weiter.
Ihre Kleidung steif gefroren und hungrig, so trieb sie wohl nur noch das lebendige Tier vorwärts. Am Ende war es ein fortwährendes Stolpern und aufpassen, dass man nicht auf dem losen Geröll ausrutschte. Die Beharrlichkeit wurde belohnt, denn plötzlich öffnete sich vor ihren Augen ein Tal. Auch hier lag Schnee, doch die Sonne hatte einige grüne und braune Flecken hervorgezaubert. Wie gebannt standen sie da, von dem Hirsch keine Spur. Doch sie wussten, dass es der Hirsch gewesen der ihnen den Weg heraus gezeigt und ihnen damit das Leben gerettet.
Und das Tal wurde ihr neues Zuhause, das Zuhause vom Clan des Hirsches.
Es zeigte sich im kommenden Jahr, wie fruchtbar das Tal war. So lebte der Clan des Hirsches in Frieden, denn für die anderen Clans lag es recht verborgen da.
Alle heiligen Handlungen des Clans fanden unter den Augen des Totemtieres, des Hirsches statt, die Ratsversammlungen bekamen erst durch diesen Ort Autorität.
Auch diesmal würde sie ihr Totemtier nicht im Stich lassen und die Gruppe der Jäger sicher zurück an den heimischen Herd führen.